Die Ukraine: Machtpoker zwischen Russland und der EU

Der Vortrag im März widmete sich der hochaktuellen Krise in der Ukraine. Die International Friends Dresden freuten sich zu diesem Thema den ukrainischen Journalisten und Schriftsteller Viktor Timtschenko begrüßen zu können, der mit der Innensicht auf die Entwicklungen seines Heimatlandes, eine wertvolle Perspektive zur Diskussion beitrug.

Ein einführender Abriss der Landesgeschichte, mit dem Herr Timtschenko seine Ausführungen begann, entfaltete bereits das Spannungsfeld, in dem sich die Ukraine auch im aktuellen Konflikt befindet. So gibt es einerseits eine starke Bindung zu Russland, die bereits im 17. Jahrhundert durch den Vertrag von Perejaslaw einen Ausdruck fand und auch während der Sowjetzeit bestand. Andererseits beförderte die Unabhängigkeit der Ukraine 1991 auch die Orientierung gen Europäische Union, die im Jahr 2004 und der „Orangen Revolution“ ihren Höhepunkt fand. Die sich hinauszögernden Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unter dem Präsidenten Juschtschenko und eine fehlende Beitrittsperspektive ließ diese „West-Euphorie“, wie sie der Referent nennt, allerdings abebben. Seit der Wahl des russisch-orientierten Wiktor Janukowytsch ins Amt des Präsidenten gibt es deshalb wieder eine Öffnung gen Russland, die die Proteste im Herbst 2013 auf dem Maidan in Kiev iniitierten.

Herr Timtschenko wies in seinem Vortrag auf die Uneinheitlichkeit der Opposition hin, die zu weiten Teilen aus 3 Parteien besteht und dadurch zersplittert ist: die Partei Batkiwschtschynavon Julija Tymoschenkos, die Partei UDAR Vitali Klitschkos sowie die rechtspopulistische Allukrainische Vereinigung „Swoboda“. Dass die anfänglich friedlichen Proteste der Opposition auf dem Maidan in Gewalt eskalierten,  betonte Herr Timtschenko, sei nicht eindeutig der Regierung vorzuwerfen – Scharfschützen gebe es auf beiden Seiten.

Außerdem erklärte er die harte russische Reaktion auf die Unruhen in der Ukraine, nämlich durch die Besetzung der Krim, mit einer Angst Russlands vor der fortschreitenden EU- und NATO Erweiterung seit dem Fall des eisernen Vorhangs. So wies er auf die Zusagen der Westmächte hin, von der NATO-Osterweiterung abzulassen, die 1990 an Russland gegeben worden waren. Mit der Darstellung dieses Vertrauensverlustes warb Herr Timtschenko für einen Perspektivwechsel, der durch die Medien nicht geleistet wird.

Als Fazit des Abends hob der Vortragende die historisch bedingte Zerrissenheit der Ukraine hervor und bot als Lösungsvorschlag an, die Regierung nicht von Seiten der EU und Russlands unter Druck zu setzen und damit eine Spaltung des Landes voranzutreiben, sondern gegenseitige Verträge, zwischen der Ukraine und der EU wie auch zwischen der Ukraine und Russland, zuzulassen und dem Land damit eine Brückenfunktion zukommen zulassen. Gleichzeitig appellierte Herr Timtschenko an die Zuhörenden sich selbst aktiv ein Bild von der Situation des Landes zu machen und nicht auf die Berichterstattung der Medien zu vertrauen. Er schloss mit einem Augenzwinkern: „Zeitungen lügen und Referenten lügen auch“.

Im Anschluss folgte eine angeregte Diskussion der Thesen des Vortragenden sowie möglicher Auswege aus der Krise.